Das Hauptziel des Equalizers ist das Reagieren auf Probleme im Frequenzspektrum des Audiomaterials. Dennoch geht sein Einsatz weit über den objektiven Nutzen hinaus. Der Equalizer kann Audiosignale klanglich vollkommen verändern und so an die subjektiven Wünsche des Engineers oder an die Anforderungen des zu mischenden Songs anpassen. Wir geben euch wertvolle Tipps an die Hand, um eure Eingriffe mit dem EQ noch effektiver zu gestalten.
Text und Screenshots: Jakob Rosemann
Der Einsatz von Equalizern während des Mixings, Masterings und bei erfahrenen Profis ist heute eine Selbstverständlichkeit. Mithilfe eines Equalizers kann in den Frequenzgang eines Signals eingegriffen werden und das Verhältnis der im Signal abgebildeten Bässe, Mitten und Höhen auch nach einer Aufnahme noch deutlich verändert werden. Zwar gilt beim Mischen nach wie vor, dass eine sehr gute Aufnahme nur weniger bis keiner Eingriffe bedarf und dass klangliche Manipulationen auf ein Minimum zu beschränken sind, da sie objektiv betrachtet stets zu einer kleinen Verschlechterung des Klanges führen; perfekte Aufnahmen gibt es jedoch nicht, da sie perfekte Musiker, Engineers, Instrumente, Arrangements, Aufnahmeräume und Aufnahmeketten voraussetzen würden. Selbst Aufnahmen, die im Solo-Modus abgehört makellos klingen, können im Mix plötzlich leblos wirken oder sich aufgrund der Maskierung durch andere Instrumente nicht so recht durchsetzen. In diesen Fällen kann der richtige Griff am Equalizer den Signalen neues Leben einhauchen oder durch eine gezielte Frequenztrennung dafür sorgen, dass die verschiedenen Klänge separiert voneinander zu hören sind.
Gerade bei einem Mix mit einer Vielzahl an Spuren dient der Equalizer dazu, eine sinnvolle spektrale Verteilung der verschiedenen Instrumente über den gesamten Frequenzbereich hinweg durchzuführen. Um dem klanglichen Chaos entgegenzuwirken, kann der Equalizer jedoch nicht nur auf der Frequenzebene tätig werden. Vielmehr kann er eine Separierung einzelner Klänge, auch durch die Schaffung einer unseren Hörgewohnheiten entsprechenden Tiefenstaffelung, erreichen.
In jedem Fall gilt es beim Arbeiten mit dem Equalizer die Einzigartigkeit jedes einzelnen Songs hinsichtlich der individuellen Instrumentierung und der sich dadurch überschneidenden Frequenzgänge zu berücksichtigen und auf diese songdienlich zu reagieren. Unterschieden wird hierbei in der Regel zwischen „technischem EQing“, zu dem das Absenken von offensichtlichen Überbetonungen und Störgeräuschen zählt, und dem „künstlerischem EQing“, worunter die Arbeit an der Verwirklichung der subjektiven Soundvision durch beispielsweise die Verschönerung der für den Song bedeutsamsten Instrumente summiert wird.
Da sich im Vergleich von sowohl digitalen als auch analogen Equalizern qualitative Unterschiede zeigen, lohnt es sich, den eigenen Bestand auf seine Charakteristika zu überprüfen. So neigen einige Plugins durch minderwertige Rechenprozesse schneller zu unnatürlichen Filtergeräuschen und Verzerrungen und dadurch zu einem kalten und digitalen Sound. Sehr unauffällig und damit sehr geeignet für chirurgisch präzise Absenkungen problematischer Bereiche sind beispielsweise die Equalizer Plugins Q10 von Waves oder der Cambridge EQ der UAD.
Da Absenkungen in der Regel natürlicher klingen als Anhebungen, empfiehlt es sich, die Soundvision mit möglichst wenigen Verstärkungen zu verwirklichen. Als Faustregel gilt, Störbereiche nur so schmalbandig wie nötig zu verringern, um die angrenzenden Frequenzbereiche nicht unnötig in Mitleidenschaft zu ziehen, wohingegen Verstärkungen wesentlich breitbandiger durchgeführt werden sollten, um die Anhebungen natürlicher und unauffälliger klingen zu lassen. Auch empfiehlt es sich, Eingriffe von mehr als 6 dB nach Möglichkeit zu vermeiden, da es ab Überschreiten dieses Punktes zu ersten hörbaren Phasenverschiebungen und Verzerrungen innerhalb des Signals kommen kann.
In den letzten Jahren haben viele Plugin-Firmen mit großem Einfallsreichtum versucht, ihren digitalen Equalizern zu einem hochwertigeren Sound zu verhelfen. So sollen EQs mit mehrfachem Oversampling durch eine Vervielfachung der Abtastrate insbesondere in den kritischen höheren Frequenzbereichen zu weicheren Klangfarben gelangen, was jedoch mit einer wesentlich höheren CPU-Last einhergeht. So genannte Linear Phase Equalizer sorgen des Weiteren dafür, dass es selbst bei stärkeren Eingriffen zu keiner Phasenverschiebung beim bearbeiteten Material kommt. Ihr Einsatz ist, insbesondere bei der Bearbeitung, mehrfach mikrofonierter Signale wie der Snaredrum, oftmals sinnvoll um mittels der Eingriffe nicht Gefahr zu laufen, Phasenauslöschungen zwischen beiden Signalen zu erzeugen. Leider bringt der Einsatz von Linear Phase Equalizern nicht nur Vorteile mit sich: Phasenlineare Plugins verwaschen gerade bei perkussiven Klängen wie Bassdrum und Snare schnell den Anschlag und dadurch auch das wahrgenommene Timing, da das für sie typische Resonanzklingeln (Pre-Ringing) ihrer Filter dem Schallereignis technisch bedingt voraus geht. Es gilt daher, stets auf mögliche negative Folgen des EQ-Eingriffs zu achten und die klanglichen Verbesserungen und Verschlechterungen gegeneinander abzuwägen und verschiedene Equalizer-Typen miteinander zu vergleichen.
So sehr der Equalizer ein Segen für den Mixing Engineer ist, so zeigen sich bei genauer Betrachtung doch seine Grenzen: Er kann nur verstärken, was im aufgenommenen Signal vorhanden ist und jede subjektive Verbesserung führt zwangsläufig auch zu einer objektiven Verschlechterung des Materials.
Es können somit nicht alle Probleme in einem Mix mithilfe eins Equalizers gelöst werden. Vielmehr stellt sein Einsatz stets einen Kompromiss dar, dessen Erfolg immer wieder durch ein Vergleichen des Sounds vor und nach der Bearbeitung bewertet werden sollte. Bei all den technischen Möglichkeiten, die sich beim Arbeiten mit dem Equalizer im Rechner heute bieten, sollte daher nie vergessen werden, worauf der Fokus beim Mischen eigentlich liegen sollte: auf dem Transport eines Musikstücks, bei dessen Entstehung der Komponist sich mit großer Wahrscheinlichkeit Gedanken über die Instrumentierung und das Arrangement und der Recording Engineer über die Mikrofonierung gemacht hat. Schon alleine deshalb sollte die Beurteilung, ob eine Aufnahme eines EQings bedarf, nie im Solo-Modus getroffen werden, sondern stets im Kontext. Erst im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten lässt sich heraushören, welche Aufnahme additive oder subtraktive Eingriffe benötigt, um im Mix zu funktionieren.