Bernd Burgdorf studierte am SAE Institute Berlin Audio Engineering. Nach dem Studium ging er in die USA, arbeitete mit Musikgrößen wie Tom Waits, Green Day und P!nk und wurde für das P!nk Album “Mizzundastood” für den Grammy nominiert. Wir sprachen mit Bernd über seinen Werdegang, die Veränderungen im Music Business, neue Ansätze für eine erfolgreiche Karriere und warum die Medienlandschaft durch New Tech weiter revolutioniert werden wird.
Autorin: Silke Karcher Foto: Rebekka Meßner
Du hast am SAE Institute in Berlin studiert. Was ist für Dich das Besondere an der Ausbildung am SAE Institute?
Die praxisorientierte Lernqualität. Ich habe damit genau das lernen können, was mich interessiert hat. Die kompakte Länge des Studiums gefiel mir auch.
Wie ging es nach der Ausbildung für Dich weiter?
Unmittelbar nach meinem Abschluss ging ich mit meiner Band in den USA auf Tour, wo ich natürlich auch professionell als Toningenieur und Produzent Anschluss zu finden suchte. Die USA funktionieren ein bisschen anders als Deutschland. Ein zertifizierter Berufsabschluss zählt dort erst einmal weniger, als die initiale Bereitschaft, sich unentgeltlich auf der Praktikumsebene zu beweisen. Das schien für mich zwar erst ein wenig sonderbar, aber letztlich war es ein guter Weg, um überhaupt in die Industrie reinzukommen. Eine sehr gute Endscheidung, wie sich herausstellte, denn wenn man wirklich was kann und auch will, fällt man bei den Amerikanern sehr schnell positiv auf und bekommt Rückenwind.
Ich stieg innerhalb eines einzigen Jahres vom Praktikanten, zum Assistenten, zum Ingenieur und zum Haupt/Haus Ingenieur des Studiokomplexes auf. Geschlafen wurde wenig und gearbeitet viel. Gelernt habe ich in dem ersten Jahr unglaublich viel.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Musikgrößen wie P!nk, Green Day, Tom Waits, The BossHoss?
In den USA gibt es die Redewendung „Life is stranger than fiction“. So könnte man es zusammenfassen. Jede Zusammenarbeit kommt auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen zusammen. Im Fall Tom Waits hatte der tatsächlich in dem Studio, in dem ich arbeitete, angerufen und nach dem Kid mit dem deutschen Akzent gefragt, denn ich hatte anscheinend gerade mit T-Bone Burnett gearbeitet, und der wiederum empfahl mich weiter an Tom, weil ich ihm positiv aufgefallen war.
Mit Pink kam ich zusammen, weil ich gerade dabei war, Linda Perry zu produzieren, als ein Anruf von Pink an Linda rein kam (Pink war ein grosser Linda Perry Fan). Linda sagte nur „Da ist so ein Girl, die hat meinen Song „What’s Up“ auf meine Voice Mail gesungen. Ich: „Und? Wie hört sich das an?“ Linda: „ Ziemlich gut“ Ich: „Hat die einen Namen?“ Linda: „Pink, oder so was“…Ich: „Pink? Ruf doch mal zurück.”
Was hat sich in den letzten Jahren im Music Business geändert?
So einiges. Social Media beispielsweise hat einen gigantischen Stellenwert erreicht. Vieles wiederum ist doch auch gleich geblieben. So ging es eigentlich schon immer darum, gute Inhalte zu erstellen. Die Verwertungsmechanismen haben sich verändert und werden sich auch noch weiter entwickeln.
Prinzipiell hatte ja erstmal eine enorme Demokratisierung der Produktionsmöglichkeiten und dann der Verwertungs- und Vertriebskanäle stattgefunden. Social Media, youtube, Soundcloud, Spotify etc. sind heute alle ein fester Bestandteil des Music Business. Technologischer Fortschritt wird weiterhin immer neue DIY Marketingmechanismen- und Kanäle erfinden.
Wer hätte denn gedacht, dass ein komplett unbekannter Südkoreaner namens PSY mit seinem nicht-englischsprachigen Gangnam Style zwei Milliarden views auf youtube erzeugen würde. Das illustriert die unberechenbare Power von Social Media.
Gibt es neue Ansätze, eine erfolgsversprechende berufliche Karriere im Music Business zu starten?
Aber natürlich. Neue Formate und Technologien müssen allesamt als Chance begriffen und genutzt werden. Musik ist ja seit mehr als einem Jahrzehnt eher ein visuelles Medium. Jetzt geht es darum, quasi alle existierenden Formate und Plattformen, SDKs Apps, Oculus Rift, Project HoloLens und Interaktivität weiter sinnvoll zu integrieren. Wir sollten mutig und experimentierfreudig sein.
Geschäftlich gesehen, kann man Musik auch positiv als loss leader begreifen, um mit der durch Musik erlangten Aufmerksamkeit schließlich Derivate der Marke, also Produkte, Lizenzen, Werbung etc. zu verkaufen. Man nutzt also die „social currency“, um „hard currency“ zu erzeugen. Das ist kein neuer Hut. Und natürlich komponiert und mixt sich Musik auch nicht von selbst (zumindest NOCH nicht :-))
Nur weil ein Künstler theoretisch alles selbst machen kann, heißt das nicht, dass er/ sie keine professionelle Hilfe braucht und will. Andererseits sind Erstellung, Vertrieb, Vermarktung und Verkauf von kreativen Inhalten so einfach, wie noch nie zuvor. Inhalte erstellen und diese zu verwerten, wird nach wie vor viele Gesichter tragen.
Welche Skills sind Deiner Erfahrung nach wichtig, um wirklich erfolgreich als Producer/Engineer zu sein?
People skills sind enorm wichtig. Selbstverständlich muss man die professionelle Materie auch gut beherrschen. Aber es geht viel um die richtige Chemie. Pro-aktiv zu sein ist auch „key“. Es sollte auch spürbar sein, dass es einem Spass macht.
Eine Deiner Thesen ist, dass die Medienlandschaft durch New Tech weiter revolutioniert werden wird – kannst Du das für uns näher ausführen?
Nehmen wir zum Beispiel Oculus Rift oder Project HoloLens. Wir haben da ganz neue Formate, die enormes „game-changer“ Potential in sich tragen. Potential, das ganz klar den Rahmen für traditionelle Unterhaltung sprengt und fantastischerweise noch ganz andere Anwendungsgebiete aufzeigt.
New Tech lässt uns nicht aber nur mit den Inhalten spielen und sie teilen, sondern lässt sie uns auch ganz anders erleben. Wer die Oculus 360Grad VR Brille oder Microsofts AR HMD HoloLens mal „live erlebt“ hat, egal ob als Horror Game, im POV Flug über San Francisco oder im instruktionalen Zusammenhang, spürt die verführerische Macht der suggerierten Welten sofort. Simulation oder Samplen von Realitäten als Main Ingredient von Unterhaltung wird weiterhin an Bedeutung zunehmen.
Linearität und Passivität werden dabei zunehmend ersetzt werden durch dynamisches Steuern der Inhalte und Umgebungen. Damit wird der ehemals passive Konsument mehr zum Piloten, zum aktiven Mitgestalter der Erlebnisse. Technologie ist dabei ein Katalysator für die Medieninhalte. Auch die Verschmelzung von Werkzeugen und verschiedenen Medien wird uns weiter den Weg weisen. Es gibt ja immer wieder neue Techniken, deren Einsatzmöglichkeiten gar nicht bekannt bzw. nicht voll erschöpft sind. Die Erforschung dieser Nutzungsmöglichkeiten sollte unser aller Auftrag sein.
Ein weiterer treibender Faktor wird die Veränderung und Vielfalt der User Interfaces sein. Sie werden die Art und Weise, wie wir kreieren und konsumieren stark beeinflussen. (siehe Augmented Reality) Dazu kommen crowd-funding Plattformen, open-source engines, SDKʼs, virtuelle Welten, beliebig skalierbares Teilen von Arbeits- als auch Konsumprozessen, omnipräsenter Zugriff auf kommerziell nutzbare Vertriebs- und Werbeplattformen, die allesamt mit relativ geringem finanziellen Aufwand genutzt werden können. Das sind allesamt großartige Möglichkeiten.
Neue Technologien waren ja eigentlich auch schon immer ein Motor für die Weiterentwicklung der Kreativwirtschaft und ihre Bedeutung wird in Zukunft nur noch weiter zunehmen.
_________________________________________________________________________
Über Bernd Burgdorf:
- Bernd Burgdorf lebt und arbeitet in L.A. und Berlin
- Studium am SAE Institute Berlin
- Grammmy nominierter Musikproduzent, Engineer und Writer
- Creative Content Producer und Consultant
- Dozent am SAE Institute Berlin
_________________________________________________________________________