David gegen Goliath – Soundprocessing in TV und Radiospots

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Der eine schreit, der andere flüstert. Mischungen für TV und Radiospots unterscheiden sich in so manchen Bereichen wie Tag und Nacht. Durch die neue EBU R128 Norm für TV Ton hat sich auch im Bereich Werbeton eine neue Welt aufgetan. Unweigerlich prallen nun in üblichen Werbetonstudios zwei dieser Welten aufeinander. Der stark komprimierte Radiospot und der luftig gemischte TV Spot.

geschrieben von Michael Rauch, BA

Wer kennt sie nicht? Die Legende von David und Goliath. David, der mit einer Schleuder nur spärlich bewaffneter junger Mann, tritt in einer alles entscheidenden Schlacht gegen den schwer bewaffneten Riesen Goliath an. Ein nicht gerade ausgewogenes Kräfteverhältnis. Doch David gewinnt – ein gezielter Schuss mit der Schleuder und der Riese geht zu Boden noch bevor der Kampf begonnen hat.

Nun, aber was hat das mit der Bearbeitung von Audiosignalen in TV und Radiospots zu tun? Gar nicht mal so wenig, ein Vergleich:
Gemessen an den unterschiedlichen Pegelnormen in TV und Radioproduktionen ist schnell klar wer die Rolle des David, und wer die des Goliath übernimmt.
Der TV Spot alias „David“ geht im Verhältnis betrachtet leise und dynamisch ins Rennen. Er besticht durch seinen offenen Sound, klingt jung und frisch. Seine Waffen? Ein EBU R128 Meter sowie vernünftig platzierte EQs und Kompressoren.

Der Radiospot alias „Goliath“ fährt allerdings ganz andere Geschütze auf. Er ist auf maximale Lautheit getrimmt, grölt und schreit förmlich. Die Wellenform gleicht einem Rammbock im Werbeblock der Radiostationen. Seine Waffen? Ein kolossaler Brickwall Limiter der über alles hinwegfegt.

Doch im Gegensatz zur Legende geht aus diesem Aufeinandertreffen kein Sieger oder Verlierer hervor. Denn beide Pegelwelten müssen zur Zeit noch nebeneinander bestehen. Und so lange sich die Radio- bzw. Musikbranche nicht auch auf ein System zur Normalisierung der Lautheit einigt, wird das auch so bleiben.
Für uns als Techniker ist es demnach wichtig beide Produktionsprozesse zu beherrschen um die richtigen Pegel für TV und Radiospots abzuliefern – mögen sie auch noch so unterschiedlich sein.

Was macht nun also einen TV Spot zum „David“ und einen Radiospot zum „Goliath“?

DAVID
Bei der Mischung eines TV Spots verabschiedet man sich gänzlich von der Denkweise lauter als der Wettbewerb sein zu müssen.

Denn aufgrund der Lautheits-Normalisierung auf – 23 LUFS sind eben alle Produktionen von sich aus gleich laut. Man kann sich als Techniker also auf etwas viel wesentlicheres konzentrieren: Den Sound.

Das meist wichtigste zu bearbeitende Signal in Werbeproduktionen ist die Stimme.

Sie liefert die nötigen Informationen zum beworbenen Produkt und muss dementsprechend verständlich und klar sein. Das trifft gleichermaßen auf die Vertonung von TV und Radiospots zu. Der Einsatz von EQs und Dynamics fällt bei TV Mischungen allerdings deutlich moderater aus. Oder besser gesagt sinnvoller als für Radio. Denn für Hörfunkspots zählt maximale Lautheit. Egal ob EQ, Kompressor oder Limiter – quasi jeder Bearbeitungsschritt dient diesem Zweck.

Für TV Mischungen gelten nun ganz andere Regeln.

Mit dem EQ kann man die Feinheiten der Stimmen besser hervorheben ohne sie (wie für Radio üblich) von einem Brickwall Limiter wieder zerstören zu lassen. Ein Kompressor auf Stimmsignalen kann auch wieder eingesetzt werden um die Dynamik gezielt zu bearbeiten und nicht mehr um sie auf gleich Null zu trimmen.

Hat man früher zur finalen Mischung eines TV Spots den Summenlimiter (auf -9 dB fixiert) sein Werk verrichten lassen, so liegt die Mischung heute wieder in der Hand des Technikers.

Zusammengefasst kann man einen Mix in der EBU R128 Norm weitaus feinfühliger und kreativer gestalten. Und vor allem Effekte und Bearbeitungstools dafür einsetzen wofür sie eigentlich entwickelt worden sind.

GOLIATH
Nun zu Goliath, dem Radiospot. Hier zählt nach wie vor maximale Lautheit.
Die Limiter und (Multiband-) Kompressoren arbeiten auf Anschlag. Dadurch wird das Signal scharf, mittig und flach. Mit dem EQ, sowohl auf einzelnen Spuren als auch auf der Summe, kann man dem harten Soundprocessing etwas entgegenwirken. Hauptaugenmerk sollte hier auf den oberen Mitten liegen. Sie transportieren die Sprachinformation – lassen den Mix aber auch gleichzeitig hart und kantig klingen.

Zieht man also zu viel von diesen Frequenzen ab leidet die Sprachverständlichkeit, was unter allen Umständen zu vermeiden ist. Hier gilt es also eine ausgewogene Balance zu finden. Zum einen um die Sprachverständlichkeit zu fördern, zum anderen um die Eingriffe des Limiters abzuschwächen.

Eine wichtige Rolle fällt auch dem DeEsser zu. Denn auch die “S” Laute werden durch das starke Limiting verstärkt und sollten gezielt bearbeitet werden.

Zu guter Letzt soll also ein Mix entstehen der vorrangig kein Dezibel Dynamik aufweist aber auch nicht zerrt. Ein schmaler Grad der umso schmaler wird je mehr Bass man in seiner Mischung zulässt. Denn gerade stark komprimierte tieffrequente Signale bringen den Mix an sein Limit und oft darüber hinaus, was unweigerlich dazu führt, dass es zu zerren beginnt. Obwohl der Summenlimiter bei -0.1 dB begrenzt. Wenn man bedenkt, dass Radio aber auch TV Spots üblicherweise über kleinere Lautsprecher zum Hörer gelangen, kann man den Low-Cut Filter also getrost etwas höher ansetzen.

AUF DEM “SCHLACHTFELD”
Egal ob Radio- oder TV Spot, das Wichtigste ist, dass die zu vermittelnde Information technisch sauber verarbeitet und gleichzeitig die Wünsche des Kunden bzw. der Werbeagentur erfüllt wurden. Als Techniker spielt man dabei oft das Bindeglied zwischen der Welt der Tontechnik und den kreativen Köpfen der Werbebranche.

Goliath schwingt somit seine Keule und David platziert seine zarte Schleuder. In unserer kleinen Geschichte müssen aber beide ihr Ziel treffen – Den Hörer bzw. Zuseher vor den Endgeräten.

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Michael Rauch, BA

Michael Rauch, BA ist seit 2007 als Radio- und Werbeproduzent in Österreich tätig. Sein Hintergrund als Musiker und SAE Alumnus prägten seinen Werdegang in der deutschsprachigen Medienwelt. Zu finden ist Michael zur Zeit in Wien.

 

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