Avid Everywhere ist die Vision einer Online-Plattform, auf der Medien produziert, verwaltet und verbreitet werden können. In ihr sollen alle Schritte der Wertschöpfungskette, von der Pre-Production bis hin zur Vermarktung, durchgeführt werden können. Dazu gehört auch die Analyse durch den Kunden.
von Marc Bohn
Hinzu kommt, dass innerhalb dieser Plattform mehrere User zeitgleich an einem Projekt arbeiten können. Egal ob im Bereich Audio, Video oder Broadcasting. Auch medienübergreifende Projekte sind ohne Kompatibilitätsprobleme möglich. Avid Everywhere verfügt über eine Art Social-Media-Netzwerk, die sogenannte Cloud. Über diese Cloud können mehrere User zu Projekten, beispielsweise zu einer Pro Tools Session, eingeladen werden. Damit ermöglicht man ihnen den Zugriff auf sein Projekt und alle Teilnehmer können simultan an der Session arbeiten.
Social-Media meets Pro Tools
Hier nur ein kleines Beispiel, um zu zeigen, was mit Avid Everywhere möglich ist: Der Produzent eines Werbe-Jingles sitzt in Berlin und benötigt zu seinem Track noch eine Gitarrenspur. Er kennt einen Gitarristen aus einem Studio in München und möchte, dass dieser die Idee umsetzt, die er zur Orientierung für den Musiker bereits in MIDI vorprogrammiert hat. Der Gitarrist loggt sich also über die in Pro Tools integrierte Cloud Collaboration in die Session ein und hat sofort die vom Produzenten für ihn freigegebenen und gefreezten Spuren auf dem Monitor. Die Freeze-Funktion basiert auf dem Offline-Bounce, bei dem alle Plug-In Settings in das Audiomaterial eingerechnet werden. Auch Aux-Channels können direkt gefreezt werden. Diese Funktion wird es spätestens mit dem Release von Avid Everywhere in Pro Tools geben. Der Gitarrist hat jetzt über die Unfreeze-Funktion sogar die Möglichkeit, die Datei wieder in den Ursprungszustand zurückzuversetzen und die Plug-ins in seinem Insert wieder sichtbar zu machen. Somit kann er den Sound der einzelnen Spuren nochmal verändern. Fehlt ihm die Lizenz eines Plug-Ins, so kann er diese direkt über den Pro Tools Marketplace erwerben. Das Plug-In erscheint nach dem Kauf direkt im Insert, ohne Installation und Restart. Damit bleibt der User flexibel bei der Gestaltung des Sounds und sein Workflow wird nicht unterbrochen.
Über diesen Shop können auch Samples und Produktionen von anderen Usern gekauft und die eigenen zum Verkauf angeboten werden. Der Marketplace ist allerdings kein Online-Store für Konsumenten, über den man fertige Songs kaufen kann, wie man das von bekannten digitalen Distributionsplattformen kennt. Er ist dazu da, um Samples, Beats oder auch gesamte Song-Arrangements für seine Produktion zu kaufen oder die eigenen Produktionen anzubieten.
Zurück zu unserem Beispiel: Über eine in der Cloud intergrierte Chatbox können die User Dialoge und Video-Konferenzen führen. Dieser persönliche Kontakt ermöglicht eine direkte Teilnahme am kreativen Prozess. Trotz der Entfernung kann der Produzent dem Gitarristen somit seine genauen Vorstellungen direkt mitteilen. Die Aufnahmen kann der Produzent ebenfalls im Video-Stream verfolgen. Entscheidungen wie beispielsweise Amp-, Gitarren- oder Mikrofonauswahl können gemeinsam getroffen werden. Ist die Spur aufgenommen, lädt der Gitarrist einfach seine Spur in die Cloud des Produzenten. Dieser muss das Hinzufügen jetzt nur noch bestätigen und sofort wird die Spur in seinem Projekt angezeigt.
Der Produzent hat nun alle Aufnahmen zusammen, die er für seinen Werbe-Jingle benötigt. Der nächste Schritt ist das Mixing bevor es zum Mastering geht. Der Produzent hat sich dazu entschlossen, seinen Song von einem Mixing- und Mastering-Enigneer in Paris mischen und mastern zu lassen. Der Engineer kann sich nun in die Session mit seinen Log-in Daten einloggen und dem Jingle den letzten Schliff verpassen. Auch hier kann der Produzent die Entwicklungen des Songs direkt mitverfolgen.
Ist das Master fertig, so hat der Kunde, in dem Fall das Marketing-Unternehmen, das den Auftrag zum Werbe-Jingle gegeben hat, die Möglichkeit, sich über eine Tablet-App in die Pro Tools Cloud einzuloggen und den fertigen Song per Live-Stream anzuhören. Somit bietet man dem Kunden die Chance, sich interaktiv am kreativen Prozess zu beteiligen. In diesem Schritt können die letzten Ideen ausgetauscht und die gewünschten Änderungen vom Produzenten direkt vorgenommen werden, bevor es zur Veröffentlichung geht.
Die Vision Avid Everywhere
Lars Kischkel, Solutions Specialist – Pro Audio bei Avid und Absolvent der SAE in Köln, über die Vision von Avid Everywhere: „Wir befinden uns noch im Entstehungsprozess von Avid Everywhere. Es wird aber noch in diesem Jahr eine Betaphase geben.“ Änderungen sind während und nach dieser Phase vorbehalten. Ob dieses Feature ein Add-On oder eine in Pro Tools fest integrierte Funktion sein wird, kann er zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. „Unser Produktmanagement arbeitet derzeit an verschiedenen Varianten. Der Preis wird sich aber auf jeden Fall in einem bezahlbaren Rahmen halten“, so Lars weiter. Dem User der Pro-Tools Cloud wird ein gewisser Workspace zur Verfügung stehen, der über den Avid-Account-Manager gegen Bezahlung vergrößert werden kann. Auch hier befindet sich Avid Everywhere noch in der Entwicklungsphase und es gibt keine genauen Details. Andere Avid-Produkte, wie beispielsweise der Media Composer, werden ebenfalls in Avid Everywhere eingebunden.
Avid Everywhere – Die Revolution des Production-Workflows?
Avid Everywhere ist damit Avid´s Zukunftsvision der Medienbranche und eine Antwort auf die beschleunigte Digitalisierung der medialen Wertschöpfungskette. Kreative und Medienunternehmen arbeiten eng miteinander und es kommt zu einer Verschmelzung der kreativen und der finanziellen Seite. Alle Beteiligten, die Medienschaffenden bis hin zum Konsumenten, profitieren durch eine zunehmend interaktive, leistungsfähige und effiziente Vernetzung. Avid Everywhere ermöglicht eine perfekte Verbindung zwischen Musiker, Komponist und Konsumenten. Avid bietet damit seinen Kunden eine enorme Flexibilität und Konnektivität, durch die große Projekte, an denen mehrere Personen beteiligt sind, sehr schnell abgeschlossen werden können.
Weiterführende Informationen:
http://www.avid.com/static/resources/common/documents/whitepapers/Avid_Everywhere_DE.pdf
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Über den Autor:
Marc Bohn ist Systeminformatiker und Absolvent der SAE in Köln – Bachelor of Arts (Hons.) Audio Production. Er arbeitet derzeit als Produzent und Audio Engineer für verschiedene Tonstudios und Labels in Köln. Zudem ist er als freier Mitarbeiter für die SALZBRENNER STAGETEC MEDIAGROUP tätig und schreibt als Press Release Assistant dort Reportagen, Fachmagazinartikel und Pressemeldungen.
Bilder: Mit freundlicher Unterstützung von Avid Technology, Inc.