Im dritten und letzten Teil kommen wir zum wahrscheinlich spannendsten Thema: Die Aufnahme und die Fertigstellung der Definitive Piano Collection. Das Team von Galaxy Instruments hat bereits viel Zeit und Geduld in die Auswahl der Instrumente und der Studios gesteckt und in die Vorbereitungen zur Aufnahme, inklusive Soundcheck und Stimmen der Pianos. Jedes Detail spielt hier eine Rolle. Nun erfolgt also endlich der Startschuss zur Aufnahme.
von Marc Bohn
Teil 3 von 3: Die Aufnahme – Über Monotonie und Meditation zu einem perfekten Klangerlebnis
Zuerst werden alle Töne aufgenommen. Jede Taste wird angeschlagen, der Ton gehalten bis er verklungen ist und die Taste wieder abgesetzt. Weiter geht es mit der gleichen Note nur in einer anderen Lautstärke. Je nach Tonhöhe kann es über eine Minute dauern bis ein Ton ausgeklungen ist. Solange muss geduldig und vor allem stillsitzend gewartet werden. Und das bei bis zu 88 Tasten und jeweils 60-80 verschiedenen Dynamikstufen. Diese werden in 1 bis 2 dB-Schritten aufgenommen. Im Endprodukt sind pro Instrument 16-18 Velocitystufen möglich. Stephan über die Problematik an dieser Stelle:
„Es kann schnell mal passieren, dass man bei der Aufnahme 5 dB verschluckt und man dann einen Ton mit zwar 80 verschiedenen Anschlägen hat aber in einem Dynamikbereich etwas fehlt. Deshalb muss man immer darauf achten, welchen Bereich man bereits abgedeckt hat und welcher noch fehlt.“
Als visuelle Repräsentation dient ein Monitor, der die Lautstärke in Wellenform darstellt und den Spitzen-dB-Wert des angeschlagenen Tons angezeigt. Nach der Aufnahme der Töne folgen verschiedene Noises wie beispielsweise Hammergeräusche und Pedalgeräusche. Eine gute Abwechslung zur sonstigen Monotonie die Stephan als eine Art Meditation beschreibt.
Das Mischen
Beim Mixing lautet das Konzept: Keine großen Bearbeitungsschritte mit EQ-Settings oder Kompressionen durchführen, sondern das Instrument natürlich belassen und es in einem breiten Dynamikumfang abbilden. Die Klangformung erfolgt fast ausschließlich durch die Kombination aus mehreren Mikrofonsignalen. Von den 24-48 Kanälen aus der Aufnahme finden am Ende ungefähr 12 Signale den Weg in den Mix. Mit diesem Konzept erzeugt GI einen sehr ausgeglichenen Sound.
Editing
Nach dem Mischen wird jeder Ton inklusive aller Dynamikstufen und Nebengeräuschen als Stereospur exportiert. Je nach Tonhöhe kann dies 15 Minuten bis anderthalb Stunden dauern. Aus der Audiodatei werden im nächsten Schritt alle 60-90 Einzeltöne herausgeschnitten. Denn bevor über den Umfang der Dynamikstufen entschieden wird und die Dynamikbereiche festgelegt werden, müssen alle Töne editiert werden. Hier ist darauf zu achten, dass beim Anschlag nicht zu viel wegschnitten wird, denn dann würde der Ton zu früh kommen. Schneidet man zu wenig ab, ist der Ton zu spät. In diesem Schritt ist Konzentration und Ausdauer gefragt. Das Ende des Tons ist durch das Absetzgeräusch der Taste dagegen relativ leicht zu hören. Im Anschluss werden an Anfang und Ende kurze Fades gesetzt, damit kein Knackser entsteht. Die einzelnen Dateien werden mit Angabe der Tonhöhe, der Velocity und des Datums benannt und exportiert. Die Benennung hilft zur Orientierung, denn die Datenverwaltung spielt eine große Rolle. Ohne sie ist man bei dem umfangreichen Audiomaterial hoffnungslos verloren. Parallel müssen auch die Release Sounds, die Pedalgeräusche und Hämmergeräusche sowie verschiedene Noises auf eine ähnliche Art editiert werden. In der letzten Instanz vor der Fertigstellung werden die verwendeten Töne auf Fehler in Attack und Release sowie auf Nebengeräusche gechecked. Unregelmäßigkeiten werden mit Hilfe von Restaurationstools korrigiert und auch das Rauschen entfernt, damit eine absolut rauschfreie Wiedergabe möglich ist.
Einbindung in Kontakt
Mit der Einbindung in Kontakt werden die geschnittenen Samples anhand ihrer dB-Werten den 16-18 Dynamikstufen zugeordnet. Denn bei einem harten oder weichen Anschlag soll eben auch der passende laute oder leise Ton erklingen. Auch die Lautstärkeunterschiede zwischen den 16-18 Dynamikstufen eines einzelnen Tons, und die Lautstärke zu den umliegenden Tasten werden in diesem Schritt angepasst. Es kann durchaus sein, dass ein Ton fünfmal gemischt wird, bevor die Verhältnisse aller Töne und Lautstärken zueinander stimmen.
Das Scripting
Die Programmierung in Kontakt, erfolgt durch einen ehemaligen Engineer von GI. Er ist seit der Einführung des Scriptings in Kontakt dabei und hat sich von Version zu Version in diese Programmierung eingearbeitet. Mit ihm zusammen wird die Oberfläche des jeweiligen Instruments angepasst. Bei dem Oberflächenkonzept für die Definitive Piano Collection hat man sich an The Giant orientiert der schon in Komplete 9 integriert ist. Es unterscheidet sich lediglich im Depth-Feature, das dem Instrument etwas mehr Tiefe verleiht. Diese Funktion wurde extra für die TV- und Filmproduktionen integriert. „Die Gestaltung des User-Interface ist ein kreativer Prozess an dem wir uns gerne beteiligen. Wir überlegen gemeinsam welche Funktion wie umgesetzt wird und wie wir die Bedienbarkeit und das Handling gestalten.“ erzählt Stephan.
Beta Tests
Befreundete Pianisten aus dem Umfeld von GI, die auch die Produktionen des Öfteren Begleiten, werden zur Testphase herangezogen. Durch mehrere Feedbackrunden werden im Team Ideen und Kritiken ausgetauscht. Diesen direkten Austausch mit dem Musiker schätzen die Entwickler sehr. Denn hier geht es hauptsächlich darum, wie sich das Instrument beim Spielen anfühlt – etwas was ein weniger erfahrener Pianist vielleicht nicht so gut einschätzen kann. Mit den Änderungen die von Runde zu Runde getätigt werden, wächst das Instrument Stück für Stück.
Projektabschluss
Drei Projekte simultan, drei verschiedene Pianos, drei Studioaufenthalte und unendliche Stunden für Mixing, Editing und Betatests. Im Studio am Gottesweg in Köln ist nun etwas Ruhe eingekehrt. Die Erleichterung ist jedoch noch nicht zu spüren. Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis die Macher der Definitiv Piano Collection realisiert haben, dass sie mit dem Produkt fertig sind, das sie mit großer Leidenschaft und Hingabe entwickelt haben.
_____________________________________
Über den Autor:
Marc Bohn ist Systeminformatiker und Absolvent der SAE in Köln – Bachelor of Arts (Hons.) Audio Production. Er arbeitet derzeit als Produzent und Audio Engineer für verschiedene Tonstudios und Labels in Köln. Zudem ist er als freier Mitarbeiter für die SALZBRENNER STAGETEC MEDIAGROUP tätig und schreibt als Press Release Assistant dort Reportagen, Fachmagazinartikel und Pressemeldungen.
Bilder: Lembke und Hermes
1 Comment
Pingback: Making of Definitive Piano Collection - Teil 2 | SAE Alumni Association Europe