Die Liste der Produktionen bei denen das Londoner Studio Framestore mitgemischt hat ist mehr als beeindruckend. Ob „Avatar“, „47 Ronin“, „Gravity“, „Robocop“ „Iron Man“ oder „Harry Potter“ um nur einige zu nennen – wer hier einen Job bekommt muss schon etwas drauf haben. SAE Alumna Isabell Mayrhofer hat es geschafft und erzählt uns über ihre Arbeit an „Edge of Tomorrow“.
Text: Quinke Networks, Digital Production, Béla Beier; Fotos: Studios
Du warst an „Edge of Tomorrow“ für Framestore als Vfx Production Coordinator beteiligt – was waren dabei deine Aufgaben, und worin hat sich “EoT” (ich kürz das jetzt mal ab ;)) von vorherigen Projekten wie Wolfblood oder Iron Man 3 unterschieden, und welche Erfahrungen nimmst du mit zu Paddington?
Isabell Mayrhofer: Ich war bei „Edge of Tomorrow“ hauptsächlich für Animation und FX verantwortlich, habe aber auch Rigging, CFX und gegen Ende Stereo Conversion beaufsichtigt. Verglichen mit meinen vorherigen Projekten lag der Hauptunterschied wahrscheinlich in der Größe des Teams. Demnach muss man die Arbeit auf mehrere Leute verteilen, um auch alles abdecken zu können. Als Coordinator heißt, sich nur auf ein paar Departments zu beschränken, anstatt auf alle zu achten, was beispielsweise bei „Wolfblood“ der Fall war. Diese klare Abgrenzung der Aufgaben ist wiederrum für „Paddington“ sehr hilfreich, da ich mich von Anfang an auf meinen Bereich konzentrieren und somit schneller in die täglich anfallenden Aufgaben einbringen kann.
Es wurden ja auch Shots von Cinesite, SPI, Nvizible, PeanutFX und Prime Focus im Film verwendet. Wie koordinierst du die Abstimmung mit den Artists der anderen Studios, und wie reicht man das am besten zum eigenen Team weiter?
Die Koordination zwischen all den verschiedenen Studios liegt alleine beim Kunden. Im Falle von „Edge of Tomorrow“ also bei Warner Bros. Wir sind in der Regel ausschließlich für unsere eigenen Shots und Assets verantwortlich. Nur im Falle von direkter Zusammenarbeit mit anderen Studios muss ich darauf achten, dass alles nach Plan läuft. Beispielsweise gibt es gewisse Assets wie beispielsweise die Aliens, die von einem Studio entworfen und gebaut werden und anschließend den anderen Studios zur Verfügung gestellt werden. Aber auch für die Stereo Conversion am Ende müssen gewisse technische Voraussetzungen eingehalten werden, um die spätere Konvertierung zu ermöglichen.
Was waren eure Shots bei EoT, und wo waren die Herausforderungen?
Also erst mal eine kleine Spoiler-Warnung an alle, die den Film noch nicht gesehen haben.
Unsere Sequenzen ziehen sich eigentlich über die gesamte Dauer des Films. Eine unserer größten Sequenzen in London war die sogenannte „Dropship Crash“-Szene, bei der Tom Cruise und Emily Blunt eine Art Helikopter entlang der Champs-Élysées fahren (nein, nicht fliegen), ihn durch den Arc de Triomphe jagen und direkt in das Louvre steuern. Das war zugleich auch eine der umfangreichsten Sequenzen würde ich sagen. Aber wie bei jedem anderen Projekt auch liegt die Herausforderung eher darin, am Anfang alles erst mal zum Laufen zu bringen. Ich denke da zum Beispiel an Doug Liman, den Regisseur, der den Wunsch geäußert hat, die Aliens mögen sich bitte so bewegen, wie man es noch nie zuvor bei einem Wesen gesehen hat. So, und wer jetzt einen Hauch Ahnung von Animation hat wird wissen, dass es am Anfang vor allem darum geht, Vorlagen und Referenzen zu sammeln. Somit waren wir erst mal etwas ahnungslos. Aber mit Hilfe von Nick Davis, dem VFX Supervisor, konnten wir mit unserer Animation letztendlich überzeugen.
Wie groß war euer Team, und wie sah euer Workflow aus?
Diese Frage ist etwas schwer zu beantworten, da sich die Größe des Teams auf einer fast monatlichen Basis verändert hat, ganz den jeweils aktuellen Anforderungen entsprechend. Grob geschätzt würde ich sagen, hatten wir so um die 100 Artists, die an dem Projekt in London gearbeitet haben. Gleichzeitig hat Framestore Montreal auch daran mitgewirkt, deren Team war aber nochmals eine Spur größer. Der Workflow eines üblichen 3D Shots beginnt mit dem Einsortieren der Plates (dem Filmmaterial) und damit alle Shot-spezifischen Daten in die Datenbank einzupflegen (Kamera Infos, Schnittlänge, etc.). Von dort aus geht’s erst mal zum Tracking, danach zum Layout und weiter zur Animation. Anschließend kommen die Jungs und Mädels der CFX und FX Truppe, die danach wiederum ihre Arbeit an Lighting und Rendering weitergeben. Zum Schluss fügt das Compositing dann alles zusammen und am Ende schicken wir, also die Produktion, das Ganze dann zum Kunden. In der Regel finden viele dieser Schritte schon zeitgleich statt und die Produktion hat natürlich ihre Finger von Anfang an im Spiel, um auch über das Projekt einen guten Überblick zu behalten. Und obwohl man in der Regel das alles schon mal gemacht hat, ist es immer wieder eine Herausforderung, weil jedes Mal neue technische und künstlerische Aufgaben entstehen und die Kunden mit jeder weiteren Zusammenarbeit ihre Ansprüche steigern.
Wie viele Iterationen hattet Ihr durchschnittlich, und an welchem Shot habt ihr besonders lange gesessen?
Wir haben grundsätzlich viele Iterationen, da alle Departments aufeinander aufbauen und sich demnach die Versionen stätig steigern. Dabei war die bereits beschriebene „Dropship Crash“-Sequenz eine besondere Herausforderung, damit schlussendlich alles perfekt ineinander greift.
Wie sehr muss man denn deiner Erfahrung nach das klassische Projektmangement mit seinen Strukturen anpassen, damit es bei Filmprojekten funktioniert?
Grundsätzlich würde ich sagen, ist die Struktur bei Filmproduktionen dem klassischen Projektmanagement sehr ähnlich. Man hat ein gewisses Maß an Arbeit, das mit den zur Verfügung stehenden Mitteln in einer vorgegeben Zeit umgesetzt werden muss. Selbstverständlich braucht man die spezifischen Fachkenntnisse der Filmproduktion, um das Projekt überhaupt realistisch planen und auf die Beine stellen zu können, aber die Basis an sich ist die gleiche.
Ihr arbeitet mit Shotgun – wie sind da deine Erfahrungen, und habt Ihr euch Alternativen angeschaut?
Shotgun ist super, aber manchmal auch sehr herausfordernd. Es hat etwas gedauert, bis ich mich an die Struktur gewöhnt habe. Davor habe ich nur mit hausinternen Datenbanken gearbeitet. Aber ich habe schnell gemerkt, welche Vorteile Shotgun mit sich bringt und wie sehr es den Alltag der Produktion erleichtern kann. Das Beste an der Sache: Obwohl Framestore ein hausinternes Shotgun Support Team hat, das jederzeit für Fragen und Kommentare zur Verfügung steht, kommen immer noch Entwickler von Shotgun persönlich ins Haus, um auf Wunsch weiteres Training anzubieten, Fragen zu beantworten oder grundsätzlich Tipps bei der alltäglichen Arbeitsweise zu geben. Ich hatte auch eine 1:1 Session mit einem der Shotgun-Mitarbeiter und konnte Verbesserungsvorschläge geben und neue Ideen mit ihm besprechen, die er in kommenden Updates einbauen möchte.
Welche Tools sind bei dir sonst noch „immer dabei“ – und gibt es einen Tipp, den deiner Meinung nach jeder kennen sollte? (Spezielles Plugin, Supertool, Webapp, ein bestimmtes Buch / eine bestimmte Methode oder so)
Wir verwenden eine Reihe von zusätzlichen Tools die von unseren Entwicklern direkt in Shotgun integriert werden. Das sind beispielsweise Delivery Tools, die uns helfen, die fertigen Shots an den Kunden zu schicken. Dadurch muss ich nicht ständig zwischen verschiedenen Programmen wechseln, sondern kann alles komfortabel von Shotgun aus steuern. Zusätzlich sind aber auch Programme wie Filemaker Pro und RV (= Media-Player von Tweak Software) Teil unserer täglichen Arbeit. Diese lassen sich aber auch mit Shotgun verbinden. Beispielsweise können Filemaker Files einfach importiert bzw. Shotgun-Daten Filemaker-spezifisch exportiert werden. Den besten Tipp, den ich geben kann ist wahrscheinlich der folgende: Kauft euch Directory Opus (= Dateimanager). Ich liebe dieses Ding!! Es macht das Leben in der Produktion um so vieles einfacher, vor allem wenn man in irgendeiner Form mit Verschieben, Kopieren oder Umbenennen von Dateien zu tun hat. Ich benutze es sogar auch privat an meinem eigenen Rechner. 😉
Was braucht man deiner Meinung nach Besondere Eigenschaft, um als Coordinator zu arbeiten, im Gegensatz zum Producer oder Supervisor?
Du solltest erst mal ein technisches Verständnis für die Programme haben, die die Artists verwenden. Das sind zum Beispiel Maya, Nuke und andere. Außerdem musst du die Grundprinzipien der Filmproduktion verstehen, etwa den Workflow. Als Coordinator arbeitest du sehr eng mit den Artists und der Produktion zusammen und solltest deshalb eine soziale, aufgeschlossene aber auch verlässliche Art haben. Ein gewisses Talent für Organisation und Flexibilität gehören natürlich auch dazu, um im Alltag überleben zu können. Letztendlich muss man aber Spaß an der Arbeit haben, denn gerade in der Produktion ist man meist der erste, der ins Büro kommt und der letzte, der nach Hause geht.
Du hast ja ein Studium am SAE Institute abgeschlossen – wie gut hat dich das auf die jetzigen Aufgaben vorbereitet?
Mein Studium am SAE Institute hat mir vor allem in Bezug auf technisches Verständnis geholfen. Meine Kenntnisse in Maya, Nuke und Co. haben mich schnell voran gebracht. Es ist ein großer Vorteil, wenn man als Produktion weiß, wovon die Artists reden, besonders wenn diese versuchen, sich aus einer eher unangenehmen Situation zu retten. Vor allem als Frau ist es in der männerdominierten Filmwelt nicht immer ganz einfach, sich durchzusetzen. Da kann es schon mal von Vorteil sein, wenn man beispielsweise einem Animator zeigt, wo er denn in Maya die Kameraeinstellung verändern kann. True story 😉 Nicht nur ist es für das jeweilige Projekt an sich hilfreich, wenn man schnell bei etwas aushelfen kann, ohne andere Artists von der Arbeit abzubringen. Damit habe ich darüber hinaus schon so manche Wette gewonnen 😉 Selbstverständlich muss man das Ganze mit einem gewissen Charme vermitteln, um nicht etwa am Ego anderer – meist älterer Kollegen – zu kratzen. Welcher professionelle Artist möchte schon von einem Production Coordinator in seinem eigenen Programm zurechtgewiesen werden? Manche nehmen es aber mit Humor und finden es super, wenn sie sich technisch ausdrücken können, ohne gleich fragende Blicke zu kassieren. Selbstverständlich geht mein Wissen nur bis zu einer gewissen Grenze, man lernt aber auch jeden Tag wieder etwas Neues hinzu und die meisten Artists sind sogar begeistert, wenn sie einem noch etwas beibringen dürfen.
Welche Kurse hättest du – im Nachhinein gesehen noch brauchen können?
Ich finde ein Kurs für die Produktion an sich wäre sehr vorteilhaft gewesen. Nicht nur Leute wie ich, die danach auch tatsächlich in dem Feld tätig werden, könnten davon profitieren. Ich erkläre viel zu oft, was eigentlich die Aufgaben der verschiedenen Personen in der Produktion sind und wo die Unterschiede liegen. Auch fehlt vielen Artists das Verständnis, wieso genau sie gewisse Aufgaben in dem vorgegebenen Zeitraum umsetzen müssen etc. Selbstverständlich ist es andersrum ebenso. Soll heißen: Es gibt viel zu viele Producer, die nicht wissen, welcher Aufwand hinter all den Aufgaben steckt. So ein Kurs könnte dann Themen enthalten wie: Was ist ein Schedule und wie funktioniert der eigentlich? Wie sieht so ein Tagesablauf in der Produktion aus? Welche Aufgaben hat ein Production Assistant/Coordinator/Line Producer/Producer etc.? Ich habe, kurz bevor ich nach London bin, am SAE Institute in München (Liebe Grüße an dieser Stelle) sogar noch einen solchen Vortrag gehalten und darauf nur positives Feedback bekommen. Sollte sich also mal wieder so eine Chance ergeben, würde ich es auf jeden Fall wieder tun bzw. weiterempfehlen.
Was hat dir bei dem Studium am meisten gebracht, und was würdest du Interessenten empfehlen, die das Maximum aus der Zeit herausholen wollen?
Ganz einfach: Man sollte so viel wie möglich ausprobieren. Am SAE Institute gibt es so viele verschiedene Möglichkeiten, die bekommt man im späteren Berufsleben einfach nie mehr wieder. Es ist eben nicht leicht, genau das zu finden, was einem beruflich Spaß macht. Vor allem wenn es, wie in der Branche, so viele verschiedene Berufswege gibt. Wo sonst kann man lernen wie man ein Drehbuch schreibt, Regie führt, die Kamera hält, das Licht platziert, die Tonangel hält, die Daten richtig verarbeitet, einen Character gestaltet/modelliert/texturiert/riggt/animiert/rendert, Effekte hinzufügt, alles in Comp zusammen bringt, das Bild farblich gestaltet und den Schnitt setzt, um am Ende zu merken, dass die Pointe fehlt. Ich wünschte, das wäre jetzt ein Scherz, aber leider ist es Teil unseres Alltags und es passiert ab und an, dass komplett fertige Shots, die Monate an harter Arbeit verschlungen haben, am Ende einfach nicht im Film landen.
So, wo war ich? Ach ja: “Alles einmal gemacht haben”. Das sollte die Einstellung sein, wenn man sich für ein SAE Studium entscheidet. Man geht zwar nie gänzlich in die Tiefen der einzelnen Bereiche, aber man bekommt einen guten Einblick über alles und hat somit auch mehr Verständnis für andere Departments, vor allem wenn sie so verbunden sind wie im Film. Denn: Ohne Story kein Dreh, ohne Dreh kein Material für VFX, ohne Rigging keine Animation etc. Sobald man sich dann für etwas entschieden hat, kommt das thematisierte Wissen sowieso von ganz alleine und schon nach kurzer Zeit wünscht man sich die Abwechslung des Studiums zurück.